Vorschlag für ein grenzüberschreitendes Wildnisgebiet Samina-/Galinatal

aus: Bericht Botanisch-Zoologische Gesellschaft Liechtenstein-Sarganserland-Werdenberg, 42
S. 145–152, Vaduz 2022

Saminatal. ©Josef Heeb

Natürliche, dynamische Prozesse wurden seit Beginn der Industrialisierung und im Besonderen seit den 1950er Jahren in Mitteleuropa aus der Landschaft weitmöglichst verdrängt. Besonders ausgeprägt ist dies an Fliessgewässern der Fall, wo eine ungelenkte Zielsetzung kaum mehr zugelassen wird.
Auch die Waldökosysteme unterliegen kaum mehr einer natürlichen Entwicklungsdynamik. Darum gibt es kaum mehr Wildnis, die als natürlich gelten oder einer ungelenkten Entwicklung überlassen wird. Natürliche Prozesse sind jedoch für viele Arten und Lebensräume besonders bedeutsam und somit ist die Erhaltung freier Dynamik von existentieller Bedeutung für die Erhaltung unserer Biodiversität.
Weitergehend als die engeren Biodiversitätsaspekte symbolisiert Wildnis ein Stück weit eine Gegenwelt einer Ordnung, die vom Menschen weitgehend zerstört worden ist, sodass sich der Mensch von der Natur entfremdete. Diese Sehnsucht für emotionale Nähe zu einem paradiesischen Urzustand wurde u.a. mit dem Stichwort «Arkadien» im Laufe der Kulturgeschichte umschrieben. Sie ist Gegenwelt der traditionellen Kultur- und zunehmend Zivilisationslandschaft, weil man sich in der Wildnis ein Stück weit unreglementiert fühlt, aus dem zivilisierten Leben entfernt. Nachdem sich die menschliche Kultur lange über die Abgrenzung von der Wildnis definierte, wird das Wilde heute zum schützenswerten Kulturgut.
Denn in einer durch und durch zivilisieren Welt, die keinen Platz für das «Andere» mehr lässt, würde sich der Mensch selbst nicht mehr verstehen. Wenn die Wildnis verloren geht, verschwindet auch das Heilige und Heile, das Unbegreifbare, und Geheimnisvolle, Selbstorganisierte und Organische.

Zum Beitrag Vorschlag für ein grenzüberschreitendes Wildnisgebiet Samina-/Galinatal.

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